Mittwoch, 20. Juni 2012

Tapetenwechsel

Hier mal wieder was Neues von der Bücherfront. Nur: lasst euch von dem Cover nicht täuschen! Das Bild kommt zwar in der Erzählung vor, aber es ist trotzdem kein Krimi! Und wenn der Speer noch so sehr aus dem Rücken herausragt!


Ein Tapetenwechsel für den Anfang wäre ja auch nicht schlecht. Statt dessen wird Lilli Karg zu Lilian Reich. Wenigstens manchmal, wenn es ihr zuhause in der Etagenwohnung zu eng wird und Knut wieder einmal Samsara den Vorrang gibt, dem schwangeren Orang-Utan-Weibchen aus dem Zoo.

Als sie im Lotto gewinnt, behält sie diese Neuigkeit für sich. Sie gönnt sich hier und da etwas, Knut wird es sowieso nicht auffallen – nur so ganz wirklich freuen kann sie sich nicht. Denn da ist niemand sonst, dem sie alles erzählen könnte. Ihre beste Freundin Tina ist nicht mehr ihre Freundin, ihre Mutter eine Nervensäge und ihre Tochter ein Miststück.

Zum Glück taucht plötzlich Marie-Ann in ihrem Leben auf, eine Fachfrau für pathologisches Lügen. Diese durchschaut zwar Lilli’s Phantasie-Lebenslauf, aber das hat dann schon wieder sein Gutes, denn so ist da wenigstens eine Vertraute. Und dem kleinen, fiesen Jack-Russel-Terrier ihrer Tochter verdankt sie sogar die Bekanntschaft mit einer etwas älteren David Garrett-Ausgabe, die sich als Hundeflüsterer entpuppt.

Doch plötzlich ist Knut wütend, und Lilli hat keine Ahnung, was los ist - bis sie ihn mit einer anderen Frau händchenhaltend in einem Restaurant sieht. Auf einmal ist alles anders, wird immer verdrehter, bis es letztlich vollends drunter und drüber geht. Aber immerhin gehen dabei auch die alten Tapeten drauf.

Bettina Haskamp erzählt ihren Roman trotz seiner kuriosen Heldin recht unaufgeregt, was sich auch in dieser Phase der Erzählung nicht ändert. Schon eher etwas zu unaufgeregt plätschert die Geschichte teilweise dahin, obwohl sie inhaltlich einiges an guten, witzigen und kuriosen Ideen zu bieten hat. Tröstlich bleibt da vorrübergehend die Beobachtung, wie schnell sich die Seiten umblättern lassen. Dann jedoch wird es wieder ein ordentliches Stück interessanter: Lilli kommt zu Einsichten und zeigt Mut und Konsequenz, Konflikte werden aufgetischt statt unter den Teppich geschoben - hier gibt es eine tolle Szene zwischen Lilli, Tina und Julia – und zwar nicht völlig überraschende, aber doch nicht zwingend notwendige Erklärungen und Lösungen ergeben sich. Am Ende hat es dann noch eine klitzekleine Portion Kitsch, aber das sei der Autorin verziehen und mag mancher Leserin sogar besonders gut gefallen.

Jetzt ist gut, Knut liest sich leicht weg, stellt keine hohen Anforderungen und ist ein akzeptabler Lückenfüller, für den gegebenenfalls auch der Fernseher ausbleiben kann. Das gilt sogar für mehrere Stunden am Stück. Wer für den Moment keine sonstigen Ansprüche stellt, ist damit gut bedient.

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